Essbare Stadt – eine Inspiration
Das Konzept „Essbare Stadt“ ist realisierbar und wird immer beliebter. Mehr Grün, mehr Parks, mehr Bäume und Hecken sollen unsere Städte lebenswerter machen. Was bedeutet es, wenn eine Stadt essbar ist? Und was sind die besten Möglichkeiten eine Stadt essbar zu machen? Es gibt – zum Glück – die unterschiedlichsten Konzepte hinter dem Begriff und auch die Landschaftsarchitektur kann auf verschiedenste Weise dazu beitragen. Was alle eint: Ausgewählte Bäume und Pflanzen werden vor allem im öffentlichen Raum bewusst als Ergänzung zu bekannten essbaren Wildpflanzen wie Brombeeren, Holunder oder Bärlauch geplant und gepflanzt, damit sie gegessen und von allen genutzt werden können.
Das Konzept “Essbare Stadt”
Neu ist das Konzept „Essbare Stadt“ nicht, aber es erfährt in den letzten Jahren durch viele spannende Projekte und Akteure immer mehr Aufwind. Vorgemacht hat es 2010 das rheinland-pfälzische Städtchen Andernach. Unter der Devise „Pflücken erlaubt“ statt „Betreten verboten“ pflanzt die Kommune Tomaten, Artischocken, Kartoffeln, Mangold, Grünkohl auf öffentlichen Flächen von rund einem Hektar im Schatten der historischen Stadtmauer an. Als essbare Gehölze wurden neben Apfel- und Birnbäumen auch Pfirsich, Granatapfel, Knackmandel, Mispel und Feige angebaut. Ein paradiesisches Bild ergibt dies für uns als Landschaftsarchitekt*innen.
Die Pflege der Flächen lässt sich Andernach einen niedrigen sechsstelligen Betrag kosten, ausgeführt werden die Arbeiten von einer gemeinnützigen Gesellschaft zur Integration von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt unter Anleitung von Gartenbaumeistern und Agrarwirten. Der beispielhafte und mehrfach ausgezeichnete Erfolg der “Essbaren Stadt” Andernach hat bereits viele Städte und Gemeinden zur Nachahmung inspiriert. Seit das Konzept im Jahr 2014 auf der Grünen Woche in Berlin vorgestellt wurde, wächst die Zahl der Städte, Gemeinden und Bezirke, die sich essbar nennen, stetig an. Im Jahr 2017 waren bereits mehr als 140 solcher Initiativen in Deutschland zu finden.
Die Stiftung Ewilpa
Als überregionale Initiative ist die Stiftung Ewilpa hervorzuheben, die seit 2015 „Essbare Wildpflanzenparks“ in Städten und Gemeinden fördert. Sie setzt sich für den Aufbau und den Betrieb von frei zugänglichen Nutzungsflächen für jeden in ganz Deutschland ein. Vier Essbare Wildpflanzenparks konnten bisher eröffnet werden – der zweite findet sich seit 2020 nicht weit entfernt von Hamburg in Bad Pyrmont (Niedersachsen) und ist mit seinem drei Kilometer langem Rundweg auf jeden Fall eine Reise wert. Die Einrichtung von Ewilpas erfordert allerdings Investitionen, besonders für geeignete Landflächen, Pflanzen und Saatgut und somit im besten Fall das Verständnis und den Willen von kommunaler und städtischer Seite.
Projekte “Essbare Stadt” im Norden
Wie sieht es also im Norden und in und um Hamburg aus? Die Stadt Norderstedt hat 2021 zum Beispiel 30 Riesenkürbisse in Pflanzsäcken nahe des ZOB aufstellen lassen und ein Konzept als „Essbare Stadt“ entwickelt. Die Wildpflanzenfachberaterin und Repräsentantin von Ewilpa für Hamburg und Schleswig Holstein, Andrea Porps, berät und begleitet außerdem verschiedenste Projekte im Norden und weiß, es wird geplant, ausprobiert und in kleineren Einzelprojekten auch schon umgesetzt, so zum Beispiel durch das WeField-Projekt oder beim Alster-Bille-Elbe-Grünzug.
Beispiele von Munder und Erzepky
Und was tun Munder und Erzepky Landschaftsarchitekten, um die Stadt essbarer und naturnaher zu gestalten? In folgenden aktuellen Projekten haben wir essbare Pflanzen eingeplant bzw. spezielle Bereiche geschaffen, um sich aktiv mit der Natur zu beschäftigen. Der Naturerlebnisspielplatz in Neugraben-Fischbek, der im April 2022 eröffnet wird, basiert insgesamt auf naturbasierten Lösungen. Auf einer 30 m² Fläche wird eine Pflanzaktion mit Kindern und Jugendlichen stattfinden, bei der Wildkräuter und Beerensträucher, wie Johannisbeeren und Aronia, gepflanzt werden.
Im Projekt Ersatzneubau des Gymnasiums am Mühlenteich in Bad Schwartau, das voraussichtlich Ende 2023 fertiggestellt wird, konnten im Bereich des Schulgartens Apfelbäume erhalten werden sowie Johannisbeeren und Walderdbeeren neu dazu gepflanzt werden.
In einem weiteren aktuellem Bauvorhaben, das Bildungs-, Beratungs- und Freizeitzentrum „Haus am Quellmoor“ in Hamburg-Neuwiedenthal, können schönerweise aus dem Bestand sechs Hochbeete, ein Insektenhotel und eine Kompostbox mit an den neuen Schulstandort ziehen. Hier können Schüler zukünftig Küchenkräuter und Weiteres in den Hochbeeten anpflanzen und essen. Ein Teil der Rasenfläche wird als Wildblumenwiese mit Obststräuchern und -gehölzen sowie mit angrenzenden Vogelkirschen bepflanzt.
Herausforderung und Zukunft
Die kritische Frage bei all den vorgestellten Projekten und Initiativen ist immer der Erhalt und damit die langfristige Pflege der essbaren Pflanzen. Dafür müssten langfristige Pflegepläne bereits beim Entwurf der Konzepte für eine „Essbare Stadt“ erstellt werden und regelmäßige Gelder dafür bereitgehalten werden. An zweitem fehlt es leider oft an den entscheidenden Schnittstellen. Unseren Wunsch nach mehr Vernetzung der Projekte und der Akteure vor allem im Norden für die Zukunft, um gemeinsam gegenüber den Stadt- und Bezirksverwaltungen aufzutreten, teilt auch Andrea Porps von der Stiftung Ewilpa mit uns und der DGGL HH/S-H.
Quellen:
Pressemitteilung „Pflücken und Naschen ausdrücklich erlaubt – Essbare Städte” vom Bund deutscher Baumschulen (BdB) e.V.
Taspo: Essbare Stadt anfangs wurden wir belächelt
Copyright:
Titelbild: Stadtverwaltung Andernach/Maurer, Fotograf: Bund deutscher Baumschulen (BdB) e.V.